ReligiÙser Tourismus
Kadhimija: Stadt der Kuppeln und vergoldeten Minarette
Bericht: Walid Abdul-Amir Alwan
Fotos: Saif Abdul-Latif El-Melh
Fünf Kilometer nÙrdlich des Zentrums von Bagdad liegt Kadhimija. TÙ†glich kommen 150.000 Besucher zu dem heiligen Ort. Am Freitag und Samstag erreicht ihre Zahl mitunter 500.000, wenn Iraks grÙÙƒte Mausoleen von Imam Moussa Al-Kadhim und Mohamed Al-Jawad besucht werden.
Der Ort wird an drei Seiten vom Tigris umgeben und ist für seine schÙnen GÙ†rten am Flussufer berühmt. In Kadhimija befinden sich über 70 historische StÙ†tten mit 14 GrÙ†bern abbasidischer Kalifen, dem Grab der berühmten Zoubaida, der Frau des Kalifen Haroun Arrashid und ihres Sohnes Al-Amin. Eine Kalligraphieschule, eine Architektur- und Wissenschaftsakademie unterstützen Iraks reichhaltiges Kulturerbe. Es ist ein Ort, in dem die verschiedenen religiÙsen Lehren friedlich und lebendig nebeneinander existierten und der sich durch traditionelle Souks, Iraks grÙÙƒtem Goldsouk und seine alten HÙ†user mit schÙnen, hÙlzernen Balkonen auszeichnet.
Stadt und Stadtnamen von Kadhimija
Historischer Quellen zeugen von einer über 5.000 jنhrigen Stadtgeschichte des heutigen Vororts. Ab dem 15. Jahrhundert vor Christus diente die Stadt wنhrend des 577 jنhrigen Reiches der Kassiden als Ernte- und Viehspeicher.
Der Name Kadhimija kommt vom Imam Moussa Ben El-Imam Jaafar Al-Sadek, genannt Kadhim, (gest. 183 n. H. / 799 n. Chr.), der dort zusammen mit seinem Enkel Imam Mohamed Ben El-Imam Ali Arrida, genannt Aljawad (gest. 219 n. H. / 834 n. Chr.), begraben liegt. Es handelt sich um den 7. und 9. schiitischen Imam von Al-Bajt Ahl.
Nach dem Aufkommen des Islams wurden mehrere Namen wie Bab Al-Tabn und Sonaba für die Stadt verwendet. Sie waren die GrabstÙ†tten der MÙ†rtyrer aus der Schlacht von Nahrawan im Jahre 37 n. H. Vor der Errichtung von Bagdad wurde die Stadt als Ashounizi bezeichnet. WÙ†hrend der ؤra der Abbasiden als der Kalif Abu Jaafar Al-Mansur den Aufbau Bagdads in 149 n. H. / 766 n. Chr. fertigstellte, machte er aus einem Teil des Gebiets im Norden einen Friedhof für seine Familie, den er "den Friedhof von Quraish" nannte. Sein Sohn Jaafar war der erste der dort 150 n. H. begraben wurde. In der Folge wurde er "Friedhof von Banu Hashim" genannt auf dem als erstes Imam Moussa Ben Jaafar im Jahr 183 n. H. beerdigt wurde. Sein Enkel, Al-Jawad Imam Mohamed, wurde dort 219 n. H. begraben. Der Friedhof von Quraish entwickelte sich und wurde um einen Bereich für die Unterbringung der Besucher vergrÙÙƒert, der den ganzen Bereich von Kadhimija einnahm. Dieser Siedlungskern war der Ursprung vom heutigen Kadhimija, der ein wesentlicher Bestandteil von Bagdad wurde. Die Stadt ist dafür bekannt sehr vielen Besuchern eine Unterkunft wÙ†hrend des gesamten Jahres zu bieten.
Der Schrein
Der beeindruckende Schrein von Kadhimija wurde seit seiner Errichtung durch Moiz Addawlat Al-Bouihi im Jahr 334 n. H. / 946 n. Chr. in mehreren Phasen weiterentwickelt. Die abschlieÙƒenden Arbeiten durch Schah Ismail Assafoui aus dem Jahr 914 n. H / 1509 n. Chr. nach seiner Eroberung von Bagdad sind bis heute erhalten. Der Schrein gilt als eines der Wunder der islamischen Architektur mit vier groÙƒen, identischen Minaretten und zwei etwa gleich groÙƒen Kuppeln.
Die Esplanade unterteilt sich in vier Abschnitte: Quraish im Westen, Bab Al-Mourad im Osten, Bab Al-Kiblah im Süden und die Assafoui (heute bekannt als Al-Jawadine) Moschee, die von Ismail Assafoui errichtet wurde.
Auf der Esplanade befinden sich 10 Türen mit Ùrtlichen Namen. Die drei groÙƒen Türen tragen die Namen Bab Al-Mourad, Bab Al-Kiblah und Bab Saheb Azzaman, die anderen heiÙƒen Bab Arrahmah, Bab Al-Maghfirah, Bab Arrajaa, Bab Quraish, Bab Al-Jawahirija, Bab-el-Ferhadija im Nordosten und Bab Kadi Al-Hajat im Südwesten.
Eine 190 Meter lange Mauer umgibt die Esplanade und trennt sie von der PrachtstraÙƒe. Durch umfangreiche Restaurierungsarbeiten ab 1301 n. H. / 1884 n. Chr. ist sie in groÙƒen Zügen erhalten. Die untere Etage umfasst 62 kleine RÙ†ume deren WÙ†nde mit Marmor und Ziegelsteinen verziert sind. In der oberen Etage befinden sich 14 RÙ†ume für religiÙse Studien sowie die GrÙ†ber von berühmten Theologen und angesehenen Personen der Umgebung. Die Wand ist auf der AuÙƒenseite mit Ornamenten und gelben Ziegelsteinen, den so genannten "Al-Farshi", verziert. Auf der Innenseite schmücken Koranverse und islamische Arabesken die WÙ†nde.
Die 20 Meter groÙƒe Uhr zwischen Bab Al-Kiblah und Bab Al-Mourad ist das vorherrschende Merkmal der Wand. Sie wird von schÙnen islamischen Verzierungen und Koranversen umgeben und wurde 1301 n. H. / 1884 n. Chr. angebracht. Früher hingen weitere Uhren über dem Bab Al-Mourad und dem Bab Al-Kiblah, die jedoch wieder abgenommen wurden, um die WÙ†nde nicht zu beschÙ†digen.
Der Besucherstrom wird durch eiserne Gitter und zwei Metalltüren in Mنnner und Frauen geteilt. Aus Sicherheitsgründen ist es heute notwendig geworden, die Taschen zu durchsuchen und sie zusammen mit den Mobiltelefonen aufzubewahren. Auf der Esplanade findet man 12 Eingنnge. Die so genannten "Al-Kishwania" ziehen die Besucher ihre Schuhe als Zeichen des Respekts aus, bevor sie in die "Taramat" (Gنnge) gelangen.
Die "Taramat" GÙ†nge
Die drei "Taramat" (GÙ†nge) sind das Bab Al-Mourad, Bab Al-Kiblah und Bab Al-Anbarien, die z. Z. wiederhergestellt werden. Da die übrigen RÙ†ume nicht genügend Platz für alle Besucher bieten, werden sie als GebetsrÙ†ume genutzt und nehmen diejenigen auf, die von der DÙ†mmerung an bis 21 Uhr ankommen. Die Decken sind mit Koranversen und wunderschÙnen Glasuren verziert, die Metallgitter überragen die Esplanade. Nachdem man durch die GÙ†nge gelaufen ist, erreicht man die eigentlichen GebetsrÙ†ume.
Die GebetsrÙ†ume
Der Schrein wird von vier RÙ†umen umgeben. Der nÙrdliche Raum ist in der NÙ†he der GrabstÙ†tte von Imam Mohamed Al-Jawad. Eine mit einem silbernen Netz verzierte Tür verbindet sie mit dem Schrein. Dieser Raum ist der Platz für Gebete und religiÙse Riten und verfügt über Bibliotheken mit Koran- und Gebetsbüchern. Die WÙ†nde sind mit Marmor verkleidet und die Decke besteht aus durchscheinendem Glas in verschiedenen geometrischen Formen.
Der zweite Raum befindet sich nahe der GrabstÙ†tte von Imam Moussa Ben Jaafar. Er ist mit dem Schrein durch eine vergoldete Tür verbunden. Herausragende Gelehrte sind hier begraben. Der Ùstliche Raum liegt zu Füكen beider Imame und ist mit dem Schrein durch zwei Türen verbunden: eine goldene Tür zur Seite des Grabs von Imam Moussa Ben Jaafar und eine silberne zum Grab des Imam Mohamed Al-Jawad.
Der westliche Raum liegt den KÙpfen der Imame zugewandt und wird mit dem Schrein durch zwei silberne Türen verbunden. Nur eine Tür Ùffnet sich zum Gang, der zum Grab des berühmten Gelehrten und Philosophen Nasir-eddine Attawsi führt.
Die GebetsrÙ†ume beherbergen auch die GrÙ†ber von Scheich Moufid und Scheich Attawsi. Der heilige Schrein liegt auÙƒerhalb der GebetsrÙ†ume.
Der heilige Schrein
Der Schrein ist zweigeteilt. Im Südteil ist der Schrein von Imam Moussa Al-Kadhim, im Nordteil der Schrein von Imam Mohamed Al-Jawad. Sie werden durch zwei schmale GÙ†nge miteinander verbunden. Der groÙƒe Besucheransturm erforderte das Verbreitern von 1,70 auf 3 Meter. Zwischen den zwei Schreinen befindet sich das Mausoleum. Eiserne Gitter reservieren einen Bereich für Frauen. Die GrÙ†ber von Imam Al-Kadhim und seines Enkels Imam Al-Jawad befinden sich in der Mitte und werden von dickem Glas vor Staub geschützt. Sie sind mit wunderschÙnen islamischen Mosaiken verziert und von einer silbernen Einfassung umgeben. Zwei Koranverse (Sure 76 ad-Dahr und 89 al-Fadsschr) sind in Gold eingraviert.
Der Boden und die WÙ†nde des Schreins sind mit Marmor bedeckt. Oben auf den WÙ†nden stehen Koranverse, gefolgt von wunderschÙnen Glassgravuren, die bis in die zwei Kuppeln reichen, die mit Mosaiken verziert sind. In den Kuppeln befinden sich Kronleuchter und groÙƒe Uhren. Zwei, 25 Meter hohe Kuppeln überragen den Schrein. Sie werden mit beeindruckenden Ornamenten und Koranversen verziert. Die AuÙƒenseite ist mit 9.000 Platten aus massivem Gold verkleidet. Vier 35 Meter hohe Minarette, die mit massivem Gold überdacht sind, umgeben sie. Sie werden wiederum von vier kleinen 4 Meter hohen Minaretten umgeben.
Die Stadt
Die Stadt von Kadhimija ist ein Friedhof mit vielen GrÙ†bern von Kalifen, Sultanen, Theologen und Historikern. Die GrÙ†ber 14 abbasidischer Kalifen, von dem Sohn des Theologen Ahmed Ben Hanbel, dem Historiker Ibn Al-Athir, dem Autor des Werkes "Die komplette Geschichte", von Al-Khatib Al-Baghdadi, dem Autor der grÙÙƒten EnzyklopÙ†die von Bagdad und von Ibn Al-Jouzi, dem Autor von "Al-Montadham" sind heute nicht mehr erhalten.
Dennoch kÙnnen eine Anzahl von berühmten GrÙ†bern besucht werden. In einem der RÙ†ume des Schreins liegen Abdullah Al-Talakburi Al-Baghdadi, der so genannte Scheich Al-Moufid-Moufid (gest. 413 n. H.) und der Scheich Ibn Qawlawajh Al-Qomi (gest. 368 n. H.) begraben. Auf der linken Seite des Bab Al-Mourad befindet sich das Grab des Scheichs Nasir-eddine Attawsi, sowie des Richters Abu Joussouf, Autor des "Al-Kharaj".
Einige Meter von der AuÙƒenseite des Schreins entfernt befindet sich das Mausoleum von dem Serifen der Alawiten von Bagdad, einem der Enkel von Imam Al-Kadhim und von dem Serifen Al-Mortada, Autor "des Al-Amali". Sein Grab liegt innerhalb einer groÙƒen Moschee mit verschachtelten Holzarbeiten auf der Oberseite. Nicht weit davon entfernet liegt das Mausoleum von Mohamed Al-Aaraji, einem weiteren Nachkommen von Imam Al-Kadhim.
Wenn man durch Kadhimija lنuft, befindet man sich auf dem heiligem Boden über den Grنbern der groكen Mنnner aus der Abbasiden ؤra.
Die Souks
Die schÙnen traditionell überdachten Souks bewahren noch die alte Architektur. Die StraÙƒen und Gassen dienen dem Verkauf bestimmter Produkte. Mobile HÙ†ndler bieten ihre Waren auf Karren und speziellen TransportwÙ†gen, den "Basstat", an. Die Souks bringen seit Jahrhunderten Wohlstand dank der vielen Kunden, die hauptsÙ†chlich aus Bagdad und den benachbarten Provinzen kommen und nach dem Besuch der heiligen StÙ†tten einkaufen gehen. Der berühmteste Souk ist vermutlich der Al-Astrabadi, der nicht weit von den GrÙ†bern beider Imame hinter der Südtür liegt. Der Souk von Bab Addarwaza, der Souk Al-Fadhwah und der grÙÙƒte Secondhand Souk, schlieÙƒen sich unregelmنكig über hunderte von Metern an.
Der Goldsouk
Kadhimija hat den grÙÙƒten Goldsouk des Iraks. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts nahm der Goldhandel seinen Anfang in den Souks von Al-Anbarijine und Aljawahirijah und weitete sich dann im Wesentlichen auf drei weitere Souks aus. Bagdader kaufen Gold und Juwelen als Verpflichtung. Die HÙ†ndler, die so genannten "Nishane", konkurrieren miteinander, um die schÙnsten Waren anzubieten.
Die Geschنfte werden innerhalb der Familien von Generation zu Generation weitergegeben. Für ihre Arbeiten berühmt sind Al-Jawahiri und Al-Wardi, die ihre Schmuckstücke in der eigenen Goldschmiede herstellen und alle Reparaturen selbst übernehmen. Sie stellen auch die bei den Irakern beliebten Silberringe her, die sie in der Tradition des Propheten Al Bajt Ahl an der rechten Hand tragen. Die Ringe sind mit dem Namen Gottes oder mit Koranversen aus jemenitischem Achat in Rot und Grün und mit Nadschafperlen verziert.
Bestimmte traditionelle Handwerkstechniken, die in anderen Gebieten bereits verschwunden sind, wurden in Kadhimija bewahrt, wie die Dattelsaftproduktion für die es keine modernen Maschinen gibt. Die Datteln werden im Wasser gekocht, um ihnen den nahrhaften Saft zu entlocken, der bei den Bagdader Familien sehr beliebt ist.
Die Gaststنtten und die mobilen Hنndler bieten beliebte Gerichte an, die man nur noch hier findet: "Al-Harissa", "Baqillabidahn" (spezielle Bohnen in ضl) und das Getrنnk "Arq Assous".
Die Moscheen
Kadhimijah ist die Stadt der 52 Moscheen, die zum Gebet, für Trauerzeremonien und zur Predigt im Monat Ramadan im Gedenken an das Martyrium von Imam Hussein genutzt werden. Zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten zنhlt die Aqd (Straكe) der Saids Moschee. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist sie auf Koranstudien spezialisiert.
Die Bibliotheken
Wie alle religiÙsen StÙ†dte, besitzt Kadhimija viele Ùffentliche und private Bibliotheken an den Schreinen und in den Moscheen, die berühmten Gelehrten und Forschern gehÙrten. Eine der berühmtesten ist die Al-Jawadine Bibliothek des herausragenden Gelehrten Hibat-eddine Shahrestani, dem Erziehungsminister der ersten irakischen Regierung 1921. Sie wurde den Besuchern des Schreins gewidmet. Shahrestani ist dort zusammen mit seiner Familie begraben. Sein Turban und sein Stock kennzeichnen sein Grab. Die Bibliothek ist ein geistiger Ort des Friedens, der am Ende der Esplanade auf der linken Seite des Bab Al-Mourad liegt. Sie hat zwei Etagen mit Tausenden von Büchern der unterschiedlichsten Disziplinen, mit zwei LesesÙ†len, die hauptsÙ†chlich von Forschern und Studenten genutzt werden.
Ebenfalls bemerkenswert ist die Bibliothek von Jamaa Akd Assada. Sie enthنlt tausende Bücher, über den Bau von Moscheen aus der Zeit von vor 150 Jahren. Zu den bedeutendsten Privatbibliotheken zنhlen die von Hussein Ben Assayid Ismail Al-Sadr, Ali Al-Waidh und Al-Jassin.
ReligiÙses und kulturelles Leben
Kadhimija hat zahlreiche religiÙse Schulen, in denen religiÙse und moderne Wissenschaften unterrichtet werden. Die Stadt wird durch Schulen für die Frauen gekennzeichnet, die "weibliche Religionskreise" genannt werden. Zu den bedeutenden zÙ†hlt die Schule des herausragenden Wissenschaftlers Ali Al-Waidh, das "Institut des Martyriums der Mihrab für das Islamische Predigen", das auch Trainingsrunden, Koranlesungen und Shariakurse organisiert.
Kadhimijah ist eine Stadt der Kultur, die Heimat vieler Gelehrter, Intellektueller und Politiker. Der Diwane Al-Khaqani ist einer der prestigetrÙ†chtigsten Kulturvereine, in dem monatliche intellektuelle, literarische und religiÙse Diskussionsrunden stattfinden. Die Region verfügt zudem über einen Fernsehsender und eine Radiostation, die von dem Büro des religiÙsen Führers Sajeed Hussein Al-Sadr betrieben werden. Viele Kulturinstitutionen verÙffentlichen hier ihre Berichte.
Kadhimijah ist die Geburtsstadt von PersÙnlichkeiten wie dem MÙ†rtyrer Mohamed Al-Sadr, seiner Schwester Bint Al-Hoda, dem Gründer der arabischen Soziologie, Dr. Ali Al-Wardi und dem Lehrer aller irakischen Gelehrten und dem Dekan der irakischen Kultur, Dr. Hussein Ali Mahfoudh. Die Stadt hat auch in schwierigen Zeiten stolz die religiÙsen Traditionen und das Kulturerbe des Iraks bewahrt.
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